Wie aber schaut es vice versa aus? Was, wenn der Personaler
unprofessionell arbeitet. Kann es sein, dass dadurch möglicherweise gute
Bewerber – vermeintliche high potentials – abgehalten werden, sich bei dem
Unternehmen zu bewerben?
Welche Fehler können Personaler begehen? Auf bewerber-front informieren
Bewerber über ihre Erfahrungen mit den Personalern. Manche Dinge kann man aber
auch pauschal ansprechen. Sie gehören zum allgemeinen Erfahrungsschatz aller
Bewerber. Was läuft schief bei Bewerbungen in deutschen Unternehmen? Wann
führen Fehler der Personaler zum vorzeitigen Abbruch der Bewerbung und zum
dauerhaften Imageschaden als Arbeitgeber?
Schauen wir uns zunächst eine normale Bewerbung – also eine
Stellenausschreibung an. Viele Personaler befinden sich gedanklich immer noch
in der Komfortzone, dass sie die starke Marktseite repräsentieren, der
Personalmarkt also ein Käufermarkt sei. Das Unternehmen kauft eine
Personalressource und hat das quasi natürliche Recht, als Käufer Fehler zu
machen. Der Kunde ist schließlich König.
Also wozu dann aufwändig eine Stellenbeschreibung verfassen mit
klarem Assignment – also der möglichst präzisen Definition, welche Aufgaben der
Bewerber im Job lösen soll und welchen Beitrag zum Ganzen er leisten soll.
Lieber versucht man irgendwelche kryptisch-anglizistisch benannten Jobs zu
besetzen. Das klingt gut und verspricht ein hohes Maß an Know-how, wenn man einen
Call Center Agent statt einem Telefonisten, einen Facility Manager statt einem
Hausmeister sucht.
Wenn schon die Stellenbezeichnung nicht punktet, dann aber
die Stellenbeschreibung. Und wenn man sich die genauer anschaut, kann man sich eigentlich
guten Gewissens auf alle ausgeschriebenen Jobs bewerben. Teamfähigkeit, soziale
Kompetenz, Sprachkenntnisse, Auslandserfahrung, Führungserfahrung,
Belastbarkeit – die kann man als Animateur im Club Med gut erwerben. Wozu noch
studieren?
Ok, wenn weder die Stellenbezeichnung noch die
Stellenbeschreibung helfen, dann bewirbt man sich sicherheitshalber einfach
mal, schließlich ist der Bewerber ja Verkäufer und will seine Kompetenz möglichst
breit kommunizieren, um das bestmögliche Angebot abzuschließen.
Gesagt, getan. Bewerbung wie angefordert per Email zum
Personaler geschickt. Die Email wird mit einem Auto-Reply beantwortet: Der
zuständige Personaler ist „out of office“ und in zwei Wochen wieder zu
erreichen. Derweil kümmert sich niemand anderes um das Thema.
Wenn man Glück hat, ist der zuständige Personaler aber
tatsächlich da. Und ob man es glaubt oder nicht: Selbst die Bestätigung über den
Erhalt einer Bewerbung gerät bei manchen Personalern schon zu einer
kompetenzüberschreitenden Problematik. Auch eine per Email zugestellte
Bewerbung kann schon mal bis zu einer Woche auf eine Bestätigung warten. Manche
Personaler machen es sich auch einfach und richten eine automatische
Bestätigungsmail ein. Es gibt für einen Bewerber auch nichts Besseres, als auf
eine mit viel Mühe erstellte Bewerbung eine unpersönliche Antwort mit Hinweis
auf „do not reply“ zu erhalten und erst nicht zu wissen, wann dann mal eine
echte, aussagekräftige Antwort kommt.
In der Bestätigung, die ganz professionell irgendwann beim
Bewerber eintrifft, versichert der Personaler, dass man die Bewerbung jetzt
prüft und nach einiger Zeit auf den Bewerber zukommt. Wie bitte? Getreu dem
Fall, dass ein Bewerber ein Produktangebot mit relativ hohem USP anbietet und
dieses Produkt nicht ohne weiteres kopierbar ist, könnte man doch eigentlich
schon erwarten, etwas präziser zu werden. Wie lange dauert es wohl, eine Bewerbung
durchzulesen, nach vorher festgelegten Kriterien zu prüfen und zu entscheiden,
wie’s weitergeht?
Bewerbungen sind natürlich unglaublich komplex weshalb
niemand vorher genau weiß, wie lange tatsächlich die Bearbeitung dauert. Zwischen
zwei und zwölf Wochen. Ok, wollen wir nicht kleinlich sein und uns in Geduld üben.
Schließlich geht es bei einer Bewerbung um ein langfristiges Geschäft und da
kann man im Vorfeld ruhig Zeit investieren.
Wenn aber der Personaler ankündigt, die Prüfung der
Bewerbung dauert zwei Wochen und man hat nach vier Wochen immer noch nichts
gehört, könnte man schon den Eindruck gewinnen, das Unternehmen – vertreten durch
den Personaler – hat kein rechtes Interesse an dem Bewerber.
Unser Musterbewerber ist leidensfähig und hat durch alle
Stufen Geduld und Anstand gewahrt. Jetzt kommt es tatsächlich zur Vereinbarung
eines Termins. Da der Personaler sich ja so viele Bewerber anschauen muss, erhält
der Bewerber einen klaren Terminvorschlag: Kommen Sie doch bitte am 13. des Monats
um 15.00 Uhr zu einem Vorstellungsgespräch. Der Bewerber akzeptiert, fährt zur
Bewerbung und darf dann erst einmal zwanzig Minuten warten. Warum auch nicht,
schließlich will der Bewerber ja was vom Personaler und nicht etwa umgekehrt.
Wenn das Gespräch endlich beginnt, darf sich der Bewerber durch
ein einstudiertes Repertoire von Psychospielchen arbeiten. Was der Job
eigentlich ist, was von ihm erwartet wird, welche konkreten Aufgaben er in den
ersten vier Wochen zu erledigen hat: All das erfährt der Bewerber während des
Bewerbungsgesprächs nicht. Er macht stattdessen diverse Eignungstests, lässt
sich vom Bad Cop in die Mangel nehmen und darf dümmliche Fragen („was ist ihre
größte Schwäche“) über sich ergehen lassen.
Wäre das nicht schon alles schwächlich genug, krönt der
Personaler diese erfolgreiche Bewerbungsprozedur mit der sehr präzisen Aussage:
„Wir melden uns dann bei Ihnen“. Klar, warum auch genauer, schließlich sitzt
der Bewerber zuhause und wartet auf den erlösenden Anruf. Wochenlang. Und in
der Zeit spricht er natürlich nicht mit anderen Arbeitgebern.
Sollte man tatsächlich annehmen, dass zumindest in einigen
Märkten qualifiziertes Personal zu einer Schlüsselressource geworden ist, darf
man auch ohne viel Polemik guten Gewissens unterstellen, dass die Personaler
heute wahrscheinlich einen der letzten Bereiche im Unternehmen bilden, deren
Prozesse noch nicht aufgenommen, analysiert und optimiert worden sind.
Personaler behandeln Bewerbungen immer noch häufig nach Gutsherrenart und mit
fragwürdigen Methoden, deren Wirksamkeit vor allem hinsichtlich ihrer Validität
in keiner Weise belastbar geprüft ist.
Schöne alte Bewerbungswelt. Während alles modern und schlank
organisiert ist, man in der Produktentwicklung mit Crowdsourcing, im Marketing
mit Social Media und in der Forschung mit Design Thinking arbeitet, ist bei den
Personalern alles noch so wie kurz nach dem Krieg. Schön gemütlich, schön
unverbindlich und in keiner Weise messbar. Also einfach paradiesisch.
Prof. Dr. Thomas Becker (Gastblogger)
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